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Jahrestagung 2009, Würzburg

Datum:
28. Nov. 2023
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Bericht über die 4. Gemeinsame Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Theologischer Bibliotheken (AKThB) und des Verbands kirchlich-wissenschaftlicher Bibliotheken (VkwB) zum Thema »Kirchliches Bucherbe im strukturellen und fachlichen Konzentrationsprozess«

vom 13. – 17. Juli 2009 in Würzburg

Rund 115 Bibliothekarinnen und Bibliothekare im Dienst der evangelischen und der katholischen Kirche trafen sich zwischen dem 13. und 17. Juli 2009 zu ihrer gemeinsamen Jahrestagung, wie sie seit der Jahrtausendwende im dreijährigen Rhythmus stattfinden. Die Tagung stand unter dem übergeordneten Thema »Kirchliches Bucherbe im strukturellen und fachlichen Konzentrationsprozess«. Gastgeber war diesmal die Diözesanbibliothek Würzburg, die unter der Leitung von Prof. Dr. Johannes Merz mit den und für die beiden kirchlichen Bibliotheksverbände VkwB und AKThB die Tagung vorbereitet und organisiert hatte. Tagungsort war die moderne Tagungszentrum der Diözese Würzburg, das Exerzitienhaus Himmelspforten. 

Einer Stärke der kirchlichen Bibliotheken entsprechend, konnte sich die Tagung mit Fug und Recht wieder als international bezeichnen; es waren rund 80 kirchliche Bibliotheken vor allem aus Deutschland, aber auch Österreich, Italien und Belgien vertreten, dazu Gäste und Experten aus dem nichtkirchlichen Bereich.

Drei Themenbereiche spiegelten eindrucksvoll die aktuellen Herausforderungen im kirchlichen Bibliothekswesen. Angeregt von den jüngst veröffentlichten »Leitlinien« der Deutschen Bischofskonferenz waren zunächst der wissenschaftliche Umgang, die Typologie und die mit zunehmendem Alter zunehmend verwickelten institutionellen und rechtlichen Verhältnisse kirchlicher Bibliotheken Gegenstand der Vorträge. Die Beiträge sollen demnächst publiziert werden.

Den Auftakt bildete ein öffentlicher Abendvortrag von Prof. Dr. Helmut Flachenecker (Universität Würzburg) über »Grundzüge der mittelalterlichen Bibliotheksgeschichte Frankens«.

Tags darauf begrüßte der Direktor des Exerzitienhauses Himmelspforten Dr. Burkhard Rosenzweig die rund 115 Teilnehmer. Prof. Dr. Johannes Merz von der gastgebenden Diözesanbibliothek Würzburg betonte in seiner Einführung die Rolle der kirchlichen Buchbestände als Quelle der neuzeitlichen Kulturgeschichte, wobei auch triviale Bestände des 19. und 20. Jahrhunderts ihren Wert haben. Als Beispiel führte er die Autoren Franz Mahr und Clodwig Hornung an, deren Werke einst hohe Auflagen erlebten, aber heute nur vereinzelt in Bibliotheken nachweisbar sind.

Dr. Bettina Wagner, Abteilung Handschriften und Alte Drucke der Bayrischen Staatsbibliothek München, referierte über die Bewahrung und Erschließung von kirchlichem Säkularisationsgut, exemplarisch aufgezeigt an den Handschriften und Inkunabeln aus Windberg (ländliches Prämonstratenserkloster) und von St. Emmeram in Regensburg (städtische Benediktinerabtei). Die mittelalterlichen Handschriften beider Klöster werden bis heute nahezu vollständig in München verwahrt, die Wiegendrucke wurden teilweise veräußert, um nicht zuletzt Mitte des 19. Jahrhunderts die Drucklegung des Handschriftenkataloges zu finanzieren. Heute ist durch eine verbesserte Erschließung – spezifische Merkmale des entsprechendes Exemplars mit Provenienznachweis – die Möglichkeit gegeben, die aufgrund der Dublettenverkäufe über die ganze Welt verstreuten Bestände der mittelalterlichen bayerischen Klosterbibliotheken zu rekonstruieren.

Frank-Joachim Stewing (Zeitz) gab einen Vergleich von Dombibliotheken am Beispiel Naumburg, Merseburg und Zeitz. Dr. Berthold Jäger aus Fulda sprach über die Bestandsgeschichte Fuldaer Bibliotheken, »Aufhänger« waren die Bestände der ehemaligen Jesuiten-Bibliothek in Fulda, die 1632 nach Kassel transferiert wurden.

Nikola Willner (Diözesanbibliothek Würzburg) referierte über Dekanats- und Pfarrbibliotheken in Bistum Würzburg, die nach der Säkularisation zur ländlichen Literaturversorgung und Priesterbildung eingerichtet wurden. In der anschließenden Diskussion kam auch die Situation in anderen Diözesen (Rottenburg, Augsburg, Fulda usw.) und bei der evangelischen Kirche zur Sprache.

Werner Jürgensen vom Landeskirchlichen Archiv in Nürnberg stellte die in seiner Einrichtung verwahrte Gelehrtenbibliotheken vor mit besonderer Betonung der Bibliothek des Nürnberger Stadtbibliothekars und Predigers an St. Sebald Johann Michael Dilherr (1604-1669). Dr. Klaus-Walter Littger (UB Eichstätt) behandelte schließlich in seinem Referat über Eigentumsverhältnisse bei kirchlichen Bibliotheken die drei Problemkreise Materielles Eigentum, Internet-Ressourcen und Geistiges Eigentum.

Abends sangen wir in der Kirche St. Michael des Priesterseminars eine ökumenische Vesper mit Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und Regionalbischof Christian Schmidt, anschließend gab es einen Empfang im gegenüberliegenden Neubau für Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg.

Im Rahmen von Exkursionen wurde die Problemsituation der Klosterbibliotheken diskutiert am Beispiel der kleinen franziskanischen Niederlassung in Dettelbach (Wallfahrtskirche, Kloster mit Bibliothek) und der blühenden Benediktinerabtei Münsterschwarzach, die mit ganz ökologisch ausgerichteter Energiewirtschaft betrieben wird und nicht nur eine bedeutende historische Bibliothek besitzt, sondern neben der Landwirtschaft u.a. auch den vor allem durch die Bücher von Anselm Grün bekannt gewordenen Verlag unterhält. Ebenso beeindruckte der Besuch des historischen, dabei höchst lebendigen Ensembles der evangelischen Herrschaft Castell, dessen weit verzweigte wirtschaftliche, kulturelle und dynastische Interessen im wohlgeordneten Archiv ablesbar wurden.
Einen dritten, umfangreichen Lernbereich widmete Frau Prof. Heidrun Wiesenmüller (Hochschule für Medien Stuttgart) der geplanten Umstellung der Katalogisierungsregeln, der systematischen Durchdringung des neuen Formats und dessen praktischen Folgen. Sie vermittelte einen Vorgeschmack auf die neuen Katalogisierungs-Regeln »Resource Description and Access (RDA)«. Das international geltende Regelwerk soll einmal AACR2 und RAK ablösen und modernen Publikationsformen – Stichwort Internet – Rechnung tragen. 

Auf der Mitgliederversammlung wies der Vorsitzende in seinem Tätigkeitsbericht besonders auf die von der AKThB erarbeiteten und auf der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedeten »Leitlinien zur Bewahrung von gefährdeten kirchlichen Bibliotheksbeständen« hin, die inzwischen in mehreren Amtsblättern (Hildesheim, Würzburg, München und Freising) abgedruckt sind.

Die Tagung 2010 wird in Stuttgart stattfinden (6.-10. Sept. in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart), für 2011 sind Linz und für 2012 Augsburg vorgesehen. Bei der Schluss-Sitzung wurde das Protokoll genehmigt und den Gastgebern für die gute Organisation und den reibungslosen Verlauf der Tagung gedankt.
 
Nach einem gemeinsamen Gruppenfoto hatte Diözesanbischof Dr. Friedhelm Hofmann zu einem Empfang und gemeinsamen Abendessen eingeladen.

 
Mit der Gewissheit, an einer interessanten und nutzbringenden Tagung teilgenommen zu haben, konnte man am Freitag nach Heiliger Messe und ökumenischer Morgenandacht, gestärkt durch das Frühstück, die Heimreise antreten.

Die Mitwirkung von Generalvikar Dr. Karl Hillenbrandt, des evangelischen Regionalbischofs Christian Schmidt und des Diözesanbischofs Dr. Friedhelm Hofmann zeigt die Bedeutung, die man in den kirchlichen Entscheidungsgremien einem kirchlichen wissenschaftlichen Bibliothekswesen inzwischen beizumessen bereit ist.